Diskriminierung: überwiegende Wahrscheinlichkeit der diskriminierenden Motivation erforderlich22/2/2017 Ein Schwerbehinderter hatte Schadensersatz wegen Diskriminierung verlangt, weil der Arbeitgeber seinen Antrag auf Verlängerung der Arbeitszeit abgelehnt hatte. Das Bundesarbeitsgericht betont, der Kläger müsse eine Benachteiligung wegen Schwerbehinderung überwiegend wahrscheinlich machen, § 22 AGG. Es reiche nicht, daß dies nur "möglich" sei. Dies hatte das Landesarbeitsgericht für ausreichend gehalten. Das Landesarbeitsgericht muß den Fall erneut prüfen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.01.2017, Aktenzeichen: 8 AZR 736/15
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Die Bewerberin für eine Stelle als Grundschullehrerin wurde abgelehnt, weil sie ein Kopftuch tragen wollte. § 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes sieht vor: „Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.“ Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Ablehnung der Bewerberin für eine Diskriminierung wegen Religion gehalten. Ein generelles Verbot des muslimischen Kopftuchs ohne konkrete Gefährdung sei unzulässig. Eine solche Gefährdung habe das Land Berlin nicht vorgetragen. Der Klägerin erhielt knapp 8.700 € Entschädigung wegen Diskriminierung. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die Vorinstanz hatte das Kopftuchverbot noch bestätigt. Der Europäische Gerichtshof hat sich zur Kopftuchfrage gleichfalls geäußert. Nach Ansicht der Generalanwältin Frau Kokott erklärte, ein solches Verbot sei eine mittelbare Diskriminierung und könne zulässig sein, z.B. wenn ein Unternehmen damit eine Politik der religiösen und weltanschaulichen Neutralität durchsetzen will (s. Pressemitteilung des EuGH). Ein Vorgesetzter bezeichnete einen pakistanischen Mitarbeiter über Jahre regelmäßig als „schwarzen Affen“ und „Sklaven“. Als eine Maschine defekt war wies er den Schichtführer an: „Nimm eine Stange und schlag den Schwarzen. Einer muß ja schuld sein“. Zahlreiche Kollegen waren bereit dies zu bezeugen und hatten die Vorgänge bereits schriftlich bestätigt. Nach Ausscheiden des Vorgesetzten aus dem Unternehmen, verklagte er diesen persönlich auf Entschädigung wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor dem zuständigen Arbeitsgericht. Das Verfahren wurde in dieser Woche verglichen. Der frühere Vorgesetzte entschuldigte sich und verpflichtete sich dem Kläger 2.500 € zu zahlen. Dies entsprach dem Vorschlag des Gerichts. In einem solchen Fall kann das Opfer derartiger Angriffe den Arbeitgeber verklagen, der jedenfalls für das Fehlverhalten von Vorgesetzten einstehen muß. Der Kläger hätte auch Ansprüche wegen rassistischer Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 15 AGG) geltend machen können. Darauf hatte der Kläger in diesem Verfahren bewußt verzichtet, da er zum Arbeitgeber ein gutes Verhältnis hat und dieser aus seiner Sicht nicht verantwortlich ist. Grundsätzlich stellt sich bei derartigen Vorgängen die Frage, wie solche Beträge die Menschenwürde und das daraus abgeleitete Allgemeine Persönlichkeitsrecht wirksam schützen sollen, was das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich verlangt. Dieses verlangt abschreckend hohe Entschädigungen, um die Menschenwürde tatsächlich und wirksam zu schützen. Eine Fortführung des Verfahrens war dem Kläger wegen fehlender Rechtsschutzversicherung (Kostenrisiko bei mehreren Instanzen) nicht möglich. Ein weiteres Problem für den Kläger war die Substantiierung der Vorgänge. Ihm war es bei den meisten Vorgängen nicht möglich, das Datum des Vorgangs auch nur ungefähr anzugeben. Wegen der verbleibenden Vorgänge hatte das Gericht einen Zeugen geladen. Das bedeutet für Betroffene:
Das Bundesarbeitsgericht hat entscheiden, die Regelung eines Tarifvertrag (mehr Urlaub für Ältere) ist diskriminierend und damit unwirksam. Alle Arbeitnehmer haben damit Anspruch auf den Höchsturlaub von 30 Tagen (statt mindestens 23 lt. Tarifvertrag). Benachteiligung wegen Alters kann zulässig sein, wenn es Sachgründe gibt und die Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Staffelung nach Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit wäre daher eher haltbar: Belohnung von Betriebstreue/Bindung an das Unternehmen als Sachgründe. BAG 18.10.2016, 9 AZR 123/16 Zum Urteil Schadensersatz für "junges dynamisches Team" und "Junior Consultant" in Stellenausschreibung Bundesarbeitsgericht (11.8.2016, 8 AZR 406/14): "junges dynamisches Team" ist Indiz für Diskriminierung, "Junior Consultant" ist sehr bedenklich (wurde nicht entschieden). Wichtig: Bislang verlangte das BAG eine "ernsthafte Bewerbung". Nunmehr reicht die formelle Bewerbung, unabhängig davon, ob diese wirklich die Stelle antreten wollen. Auch die Ablehnung einer bloß formalen Bewerbung kann Schadensersatz auslösen. Allenfalls nach Treu und Glauben könnte der Anspruch ausgeschlossen sein (Rn. 44). Das Verfahren wird an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zum Urteil |
Prof. Dr. AlenfelderRechtsanwalt, Archiv
März 2024
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